Der Sturm und das Grau

Der Magen verkrampft, der Kopf schwer, die Augenlider kleben fest, versperren die Sicht, versperren den Weg. Ein Blick nach draußen, es stürmt, es nieselt, Passanten mit Brötchentüten, die in deren Händen zu nassem Matsch werden, hochgestellte Krägen, Schals, verbogene Schirme. Die Augen zusammengekniffen, schnellen Schrittes, kein Rennen, forsches Gehen. Der Himmel ein stählernes Grau, unterbrochen von weißen Wolken aus den Schloten der Heizungen und schwarzen Flecken, Vögeln, die einen Unterschlupf vor Wind und Regen suchen. Ich stelle meinen eigenen Kragen hoch, ziehe die Mütze ins Gesicht und verlasse das Gebäude.

Die ersten Schritte fallen schwer, der Wind drückt mich zurück und überraschend Luft in meine Lunge, kurz stockt der Atem, nasse Menschen kreuzen meinen Weg, Schirmkiele suchen Augen, Pfützen suchen Lederschuhe. Ein kurzer Besuch beim Bäcker, mit dem Käsebrötchen in der Hand geht es nach rechts zur großen Brücke über den großen Fluss, zwischen denen der große Sturm noch ein wenig heftiger peitscht. Die Häuser weichen zurück, die Stadt wird leise, der Sturm wird laut.

Der Rhein ist aufgewühlt. Ein Lastenkahn müht sich stromauf durch die Wellen, die kleinen und die großen, tief ins Wasser gedrückt, offensichtlich voller unsichtbarer Fracht überholt er mich langsam auf meinem Weg Richtung Süden. Möwen haben sich auf einem Stück Wiese versammelt, weiße Ovale auf grünbrauner Ebene, alle starren in die selbe Richtung, den Schnabel am Wind ausgerichtet, die sonst so neugierigen Augen geschlossen. Unter der Brücke ein Mann mit Handy am Ohr, er dreht sich und dreht sich, geht ein paar Schritte, gebeugt, versucht mit der anderen Hand den Wind abzuschirmen, der offene Mantel flattert um seine Beine. Entweder unter der Brücke nichts verstehen, oder neben der Brücke nass werden? Er entscheidet sich für keines, legt auf, lässt das Handy in die Manteltasche fallen und hastet davon, eine Hand krallt den Mantel zusammen. Das schüttere Haar wird nass, die Oberlippe hochgezogen.

Ich lasse die Brücke hinter mir und den Regen auf meiner Jacke abperlen. Das Käsebrötchen ist gegessen und meine Hände in den trockenen und windgeschützten Jackentaschen. Ich gehe weiter. Um mich herum Grau. Der Himmel ein helles, stählernes Grau, der Weg ein matschiges Grau aus dunklem Kies, die Mauer aus grauen, fast anthraziten schweren Steinen und aschgrauen Fugen, das Ufer grau mit Nuancen von Grün, einzelne Halme inmitten einer Mondlandschaft, der Rhein grau, hellgrau, dunkelgrau, blaugrau, grüngrau, feldgrau. If I knew Picasso, I would buy myself a gray guitar and play.

Von nun an begegnen mir keine Menschen mehr, ich sehe sie in ihren Autos und Bussen und Straßenbahnen an mir vorbei ziehen, doch hier am Rhein ist niemand. Die Zeit wird knapp. Ich drehe um und mache mich langsam auf den Rückweg, den Wind nun im Rücken. Ein Hundespielplatz, leer, eine Bank davor umgestürzt durch den Sturm. Der Weg führt weg vom Kies und hin zum Sand, kleine Pfützen überall, darin noch kleinere Wellen, getrieben durch den Wind. Erst versuche ich all diesem Wasser auszuweichen, doch es bringt nichts, es ist überall. Ich wende meinen Blick vom Boden ab, gehe weiter, meine Augen folgen einem Vogel auf seinem Weg am Himmel. Er verschwindet hinter den Bäumen. Die Häuser, die ich zurückgelassen habe, kehren wieder zurück, werden größer, die Straße lauter, der Wind leiser. Die halbe Stunde ist vorbei.

Meine Schuhe und Hosenbeine sind dreckig, Spritzer vom sandigen Wasser. Meine Brille beschlägt. Und ich kann wieder klar sehen.

Rausposaunen

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